Eine Frage des Standpunktes

Wir stehen für etwas. Wir stehen zusammen. Wir stehen füreinander ein. Wir stehen zu jemandem. Aber um Himmels Willen, warum steht keiner auf? Das Wörtchen „stehen“ steht für so vieles. Für einen Standpunkt, vielleicht sogar für einen Stand in der Gesellschaft. Früher war diese in Stände eingeordnet. Noch heute gibt es die Begriffe „Familienstand“ und „Berufsstand“. Heute ist es wichtig, wie man zu etwas steht, welche Meinung man zu etwas oder jemanden hat, wo man politisch steht.

Alle reden von diesem Stehen. Aber kaum einer steht auf. Kaum einer hat den Mut, sich etwas oder jemandem entgegenzustellen. Man braucht Menschen, die einem zur Seite stehen, die sich vor einen stellen, die gemeinsam für etwas einstehen. Eben bei solchen Aktionen ist es vorbei mit der Passivität. Hier hilft schönes Reden, wofür man steht, nichts mehr. Hier muss man auch klar sagen, wofür man eben nicht steht. Hier bedarf es Courage. Auch der Widerstand ist abgeleitet von stehen.

Wenn wir gemeinsam füreinander stehen, ist es leichter, jemanden eben nicht mit dem Rücken zur Wand stehen zu lassen. Dieses Gemeinsame kann eine Stütze sein, wenn man eben kaum noch stehen kann. Für jemanden gerade stehen, jemandem zur Seite stehen, das ist wichtig, und zwar für alle Menschen.

Wir verrohen im Stillstand, in dieser widerlichen Passivität. Manchmal muss man eben auch etwas „stehenden Fußes“ machen. Die Welt dreht sich weiter und wir stehen da rum und schauen zu. Oft höre ich Sätze wie „Da muss man doch etwas machen können.“ Genau hier braucht es einen anderen Standpunkt: „Da muss ICH doch etwas machen können.“ Alle stehen am Bildrand des Lebens und schauen zu, wie es von anderen ausgemalt wird. FÜR andere etwas tun? Wieso denn das? Für mich tut auch keiner etwas.

Kennt ihr die Parabel vom guten Menschen vorm Höllentor? Der Teufel hat nur noch einen Platz in der Hölle frei, eine lange Schlange wartet am Einlass. Also kommt der Teufel hinaus und fragt die Menschen einzeln, was sie denn verbrochen haben, denn er will dem Schlimmsten den letzten Platz gewähren. Er kommt zu einem Mann, der auf die Frage, was er denn gemacht habe, mit „Nichts“ antwortet. Er hat nichts gemacht, hat zugesehen, wie Menschen Unrecht widerfahren ist und wie Menschen ermordet wurden. Er versteht nicht warum er hier ist, er sei doch ein guter Mensch. Der Teufel gibt diesem „guten Menschen“ den letzten Platz und vermeidet, mit ihm in Berührung zu kommen.

Jeder ist in der Pflicht, solidarisch zu sein, Unrecht zu benennen und Widerstand zu leisten. Lasst die wenigen, die dies permanent tun, nicht alleine stehen. Zusammen ist man weniger allein.DSCF2111

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