Interview

H.: Doreen, du bist Lehrerin, im Stadtrat von Orlamünde und seit dem vergangenem Jahr Mitglied im Kreistag. Was bewog dich zu diesem ehrenamtlichen politischen Engagement?

Doreen: Ich habe mich immer schon viel mit Politik beschäftigt und mich gerne über „die da oben“ aufgeregt. Irgendwann fragte mich mal jemand, warum ich, wenn ich denn so viel über Politik schimpfe, nicht selbst etwas in der Politik machen möchte, um dort etwas zu verändern. Die Idee faszinierte mich. Kurz darauf fragten mich Knuth Schurtzmann und Markus Gleichmann, ob ich mir denn vorstellen könne, für den Kreistag zu kandidieren. Das war meine Chance. Ich kniete mich in den Wahlkampf und wurde gewählt.

H.: Die Schule in Weimar, an der du als Lehrerin arbeitest, trägt seit diesem Jahr den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Was war der Auslöser?  Das Unterfangen brachte im Land Thüringen viel Anerkennung.

Doreen: Meine Schule, ich nenne sie gerne so, obwohl sie mir nicht gehört, ist eine Schule in einem sehr schwierigen sozialen Umfeld, die von vielen Schülern besucht wird, die meist kein intaktes Elternhaus, dafür aber eine Menge Selbstzweifel und Zukunftsängste haben. Mir ist es sehr wichtig, diesen Schülern eine Perspektive zu geben. Zu dieser Perspektive gehört auch die Achtung eines jeden Individuums gepaart mit Toleranz und Mitmenschlichkeit. Ich als Person und als Lehrerin lasse Diskriminierung nicht zu. Gemeinsam mit meiner Schulsozialarbeiterin und engagierten Schülerinnen und Schülern haben wir die Idee, den Titel zu erlangen, in die Tat umgesetzt. Ich konnte einen tollen Schulpaten, Norman Sinn, einen Musiker aus Erfurt, gewinnen, der mit den Schülern einen Rap gegen Rassismus schrieb und einstudierte. Damit traten wir sogar vor unserem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow auf. Seitdem wir den Titel tragen, haben sich unser Schulklima und vor allem unsere Außenwirkung merklich verbessert. Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit werden bei uns nicht geduldet. Das ist uns wichtig.

H.: Seit dem Herbst diesen Jahres bist du Vorsitzende der Basisorganisation der Linken in Kahla. Was ist das für eine Gruppe, wie setzt sie sich zusammen und was ist Aufgabe und Ziel dieser Gruppe nach deinen Vorstellungen?

Doreen: Die Wahl zur Vorsitzenden der Basisorganisation (BO) kam für mich ziemlich überraschend. Eine BO ist eine Gemeinschaft aus regional aktiven Parteimitgliedern sowie Sympathisanten, die sich meist monatlich einmal trifft, und sich über regionale Themen aus den Stadt- und Gemeinderäten sowie aktuellen politischen Themen austauscht. Zu meiner BO, wie ich sie liebevoll nenne, gehören ca. 12 Menschen aus Kahla und Umgebung. Eine Basisorganisation sollte den politischen  Austausch ermöglichen. Außerdem ist sie mit für die Außenwirkung der Partei zuständig, wählen doch die meisten Wähler nicht nach Partei, sondern nach Person. Als Vorsitzende koordiniere ich die Arbeit und setze Akzente und Impulse. Einer meiner Akzente ist der Kampf gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit, was in Kahla nicht ganz einfach ist. Ein anderer ist die Erhöhung der Transparenz nach außen und damit verbunden natürlich auch die Mitgliedergewinnung. Auch die Vernetzung mit der Regierung und den dort agierenden Politikern ist mehr sehr wichtig.

H.: Du erwähnst, dass die Auseinandersetzung mit Rechts in Kahla „nicht einfach“ ist. Wir finden rechtsextreme und damit verbundene gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im breiten Umfeld des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wie möchtest du dem begegnen?

Doreen: Hermann Hesse sagte „Du musst das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“ Genauso sehe ich die Auseinandersetzung mit Rechts in Kahla. Natürlich werden wir die Nazis dort nicht vertreiben können. Aber mir ist es wichtig, einerseits die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, dass „Wir für Kahla“ zwar hübsch und nett klingt, aber schlichtweg Nazis sind, andererseits möchte ich auch nach außen zeigen, dass nicht alle Kahlaer Nazis sind. Der Ruf der Stadt hat schon genug gelitten. Ich plane mit verschiedenen Gremien mehrere Veranstaltungen, um zu zeigen, dass Kahla auch bunt ist. Da wir aber noch in der Planungsphase sind, kann ich dazu nichts Genaueres sagen. Was ich aber bereits getan habe, ist, das Gespräch mit der CDU Kahla bezüglich des rechten Problems zu suchen. Hier konnte ich auf wichtige Dinge aufmerksam machen und, scheinbar, etwas die Augen öffnen. Manchmal reicht das jedoch nicht, manch einer braucht vielleicht nicht nur offene Augen, sondern auch noch eine Brille. Es geht ja nicht nur um „die Rechten“. Es geht um eine fremdenfeindliche Tendenz, die spürbar ist und die sich durch Organisationen wie „Wir lieben den Saale-Holzland-Kreis“, „III. Weg“ und Thügida gerade in der Mitte der Gesellschaft etablieren will. Das dürfen wir nicht zulassen. Nicht in Kahla und nicht anderswo. Genau aus diesem Grund habe ich in Erfurt das thüringenweite Bündnis „Mitmenschlichkeit“ mit gegründet. Das war eine tolle Situation. Ich saß mit Menschen wie Katharina König, Sandro Witt und dem Landesbischof im Landtag in Erfurt und erzählte, dass ich die BO Vorsitzende der LINKE in Kahla bin.  Und der Saal applaudierte das erste Mal. Das zeigt, wie sehr man darauf wartet, dass aus Kahla Zeichen kommen. Das Bündnis ist mir sehr wichtig. Endlich agieren wir alle gemeinsam gegen Fremdenfeindlichkeit. Auch im SHK tut sich gerade etwas und ein Bündnis aus Kirchen, Vereinen und Verbänden entsteht. Das sind tolle Entwicklungen, die ich sehr begrüße.

H.: Es klingt, als ob du mit der Politik sehr viel zu tun  hast. Hast du da überhaupt noch Zeit für ein Privatleben?

Doreen: Ich habe zum Glück einen sehr verständnisvollen Ehemann und viele Freunde, die mich ab und an mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Ich bin ja auch noch in der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung im Landtag tätig. Hier stellen wir die Weichen für eine erfolgreiche Bildungspolitik in Thüringen und vernetzen uns. Meist sind mir aber zumindest die Wochenenden heilig. Da habe ich Zeit für meine Familie und für mich selbst.

H.: Ich bedanke mich für das Interview und wünsche dir viel Kraft, Ausdauer und einen langen Atem für das, was du vor hast und natürlich an deiner Seite Menschen, die dich unterstützen.