Das Dilemma der Schulen
Schule und Bildung sind Themen – ähnlich wie Fußball – bei denen jeder mitreden will (ich schreibe bewusst nicht „kann“), bei denen jedoch wenige das System durchschauen. Sieht man nämlich genauer hin, wird man einige Tücken entdecken. Das meines Erachtens größte ist die Tücke der Personalauswahl und die fehlende Eigenverantwortlichkeit von Schulen. Dies möchte ich an einem Gleichnis deutlich machen.Ein Kapitän eines Ruderbootes braucht, neben einem modernen Kahn, eine Mannschaft, mit der er auf hoher See bestehen kann und den Zielort erreicht. Die See ist stürmisch, mal weht der Wind von der einen, mal von der anderen Richtung. Den Kahn kann sich der Kapitän kaum aussuchen. Er muss nehmen, was er bekommt und dankbar sein für alle Erneuerungen, die die Reederei genehmigt und bezahlt. Da die Reederei viele Boote unterhält, kann sie nicht jeden Kahn auf dem modernsten Stand unterhalten. Deswegen muss der Kapitän vieles durch seine Ruderer ausgleichen. Egal wie kaputt der Kahn, wenn eine tolle Mannschaft miteinander arbeitet, kommt man auch mit kleinen Lecks ans Ziel.
Nun aber zur nächsten Tücke. Der Kapitän darf sich die Ruderer nicht selbst aussuchen. Sie werden ihm vorgesetzt und er muss sie nehmen. So entsteht ein heterogenes Team. Einige im Team sind toll, sie rudern, was das Zeug hält. Sie schwitzen und strotzen dem Wind. Sie schonen die Ruder und behandeln sie sorgsam. Sie entwickeln einen Teamgeist, bei dem das Erreichen des Ziels im Vordergrund steht. Sie hören auf den Kapitän und beraten ihn bei Entscheidungen. Loyal tragen sie aber auch unangenehme Entscheidungen mit, wenn sie im Sinne des Ziel sind. Andere rudern nur auf halber Kraft. Teils können sie nicht mehr geben, teils wissen sie aber auch, dass sie genauso viel Geld oder gar noch mehr bekommen als die armen Powerruderer. Deswegen rudern sie in Richtung des Ziels und führen den Auftrag aus, aber eigene Ideen kommen eher selten. Einige Ruderer hingegen hinterfragen die Aufträge des Kapitäns ständig im Hinblick auf das Ziel. Wenn die Powerruderer zu viel Tempo machen, geben sie zu bedenken, dass man auch mit weniger Tempo ans Ziel kommt. Sie kümmern sich weniger um die Ruder als um die Gesetze der See, die er zwar nicht beeinflussen kann, aber trotzdem genau kennt. Und dann sind da noch Ruderer, die rudern in die falsche Richtung. Oder sie rudern gar nicht. Oder sie haben nur einen Arm. Oder sie versuchen den Kapitän von Bord zu schubsen, oder einen Powerruder. Oder aber sie merken auf hoher See, dass sie in einem Boot sitzen und eigentlich Zug fahren wollten. Oder sie sind eigentlich Busfahrer.
Der Kapitän kann an dieser Mannschaft auf hoher See kaum noch etwas ändern. Er muss mit denen arbeiten, die er hat. Er kann ja nicht einfach einen vom Boot stoßen. Es kommt ja keiner nach. Er muss die Eigenschaften der Ruderer für sich nutzen und das Ziel im Blick behalten. Oft rudert der Kapitän auch mit, aber manchmal telefoniert er auch mit dem Reederer und dem Gott des Sees, um neue Anweisungen zu erhalten. Der Kapitän interessiert sich sehr für die Ruder, ist er für sie doch genauso zuständig wie für die Ruderer. Wenn er neue Ruderer nach seiner Facon ausgebildet hat, muss er sie nach der Ausbildung im Hafen wieder abgeben, obwohl er den zusätzlichen Ruderer gut gebrauchen könnte.
Jetzt frage ich Sie, wo ist das noch so? Jeder Manager schlägt gerade die Hände über dem Kopf zusammen. Wo hat ein Kapitän annähernd kein Mitspracherecht auf sein Personal? Genau das ist eine große Problemlage von Schule. Eigenverantwortliche Schulen und Schulen, die über Personalhoheit verfügen, sind eine Lösung. Aber die See wird rauer, die Wettereinflüsse ändern sich. Vielleicht sollte man hier umdenken, um den Kapitän und das Erreichen des Ziels zu unterstützen. Denn eigentlich stehen doch die Ruder im Vordergrund. sie sollen nach der Seereise am Ziel noch jemanden nützen.